Wenn der Traum zum Alptraum wird
2018 jährt sich der Tod von Martin Luther King Jr. zum 50. Mal. Er war Baptistenprediger, Friedens-Nobelpreisträger und Bürgerrechtler, der sich gewaltfrei für die Rechte der schwarzen Bevölkerung in den USA einsetzte. Außerdem forderte er die Beendigung des Vietnam-Krieges, an dessen Fortbestand die USA maßgeblich beteiligt war. Seine Ermordung wirft bis heute Fragen auf. Über die Jahre wurden Vermutungen laut, dass Martin Luther King Jr., wie der ehemalige ermordete US-Präsident John F. Kennedy (JFK), das Opfer einer Verschwörung gewesen sein soll.
HINTERGRUND
Am 3. April 1968 entschloss King aufgrund eines Streiks der Müllarbeiter und der daraufhin ausgebrochenen Auseinandersetzung zwischen der Polizei und den Demonstrant*innen nach Memphis zu reisen. Er stieg in dem von Afroamerikaner*innen geführten „Lorraine Motel“ auf der Mulberry Street ab. Die damals als radikale Vereinigung angesehenen „The Invaders“ setzten große Hoffnung in Kings Besuch.
Am 4. April 1968 verließ Martin Luther King Jr. um 17:45 sein Hotelzimmer. Das Zimmer 306, in dem King nächtigte, befand sich im ersten Stock und war über die Außenterrasse zugänglich. Auch die Gruppe „The Invaders“ war zur gleichen Zeit im Lorraine abgestiegen. Ihnen war bei dem Gedanken, dass das Hotelzimmer frei zugänglich war und King keinerlei Personenschutz hatte, nicht wohl. Dr. King meinte nur zu ihnen: „I don’t need protection. I’m serving a mighty god. That‘s my protection“. Währenddessen hatten Polizeibeamte, Geheimdienstmitarbeiter und sogar Mitglieder des Militärs in der gegenüberliegenden Feuerwehrwache unauffällig Position bezogen. Dies dient nicht zum Schutz von King und „The Invaders“, sondern zur Überwachung. Auch auf der dahinterliegenden Main Street positionierte sich ein Aufgebot an Polizeibeamten. Keiner, auch nicht Dr. King, wusste damals von dieser großräumigen Überwachung. Wie erst viel später bekannt wurde, schleuste sich McCullough Merrel als verdeckter Ermittler in die Gruppe „The Invaders“ ein und erhielt somit Informationen aus erster Hand, die er an den militärischen Geheimdienst weiterleitete. Von welcher Person der Auftrag erteilt wurde, ist nicht bekannt.
King stand am 4. April um 18:01 auf der Terrasse des Lorraine’s, als ihn ein Schuss aus einem Jagdgewehr direkt in den Hals traf. Personen, die als Erstes bei ihm waren, darunter auch der verdeckte Ermittler McCullough, zeigten auf ein Badezimmer in der gegenüberliegenden Pension, aus welchem angeblich der Schuss abgefeuert wurde. Dies wurde im späteren Gerichtsurteil auch so bestätigt.
TATHERGANG
Die Überwachungseinheit und die Polizisten, die sich zuvor auf der Main Street befanden, stürmten zum Lorraine Motel. Dies ermöglichte dem Täter, von der besagten Pension „Bessie Brewer“ unauffällig auf die Main Street zu gelangen. Die Mordwaffe und den Waffenkoffer in eine grüne Decke gewickelt warf er, nachdem er das Polizeiaufgebot und den Ermittler E.E. Douglass im Polizeiauto gesehen hatte, nebenan vor einen Plattenladen nieder und fuhr mit seinem weißen Mustang davon.
Zeugenaussagen unterstützten die Angaben, dass die Pension der angebliche Tatort sei. Im Badezimmer sowie dem Hotelzimmer, in dem der Verdächtige nächtigte, fanden Beamte Beweise, die darauf schließen ließen, dass es sich um den Tatort handelte. Auch der Plattenladenbesitzer gab an, er hätte einen weißen Mann das Paket mit der Waffe hinschmeißen und mit einem weißen Mustang davonfahren gesehen. Sofort wurde anhand der Angaben des Plattenladenbesitzers eine Polizeifahndung eingeleitet. Allerdings ohne Erfolg. Der mutmaßliche Täter konnte fliehen. Es war ihm laut Angaben der Polizei möglich, den Polizeifunk zu manipulieren und die Beamten auf eine falsche Fährte zu locken. So konnte er Memphis unauffällig verlassen. Ob und wer ihm dabei geholfen hat, ist bis heute unklar.
Nach einer 65-tägigen Verfolgungsjagd, die in die Kriminalgeschichte einging, wurde der damals 41-jährige bereits vorbestrafte US-Amerikaner James Earl Ray am 8. Juni 1968 am Heathrow Flughafen von London wegen des Mordes an Martin Luther King Jr. festgenommen. Ausschlaggebend für die Verhaftung war, dass sich auf der Waffe, die vor dem Plattenladen gefunden wurde, ausschließlich seine Fingerabdrücke befanden. Das FBI (Das Federal Bureau of Investigation, also die zentrale Sicherheitsbehörde der Vereinigten Staaten) und die zuständigen Beamten konnten aufgrund der zur damaligen Zeit noch nicht ausgereiften Ballistik aber lediglich feststellen, dass dieser Waffentyp auch die Mordwaffe gewesen sein soll. Die genaue Zuordnung des Projektils zu genau dieser Waffe war nicht möglich. Ein Jahr danach bekannte Ray sich schuldig, die Tat begangen zu haben und wurde daraufhin zu 99 Jahren Gefängnis verurteilt. Somit war der Fall offiziell geschlossen. Einige Tage danach versuchte er seine Aussage zurückzuziehen und gab an, dass er von der CIA, dem Auslandsgeheimdienst der USA, und seinem Anwalt zu seinem Geständnis gezwungen worden war. Er versuchte mehrmals die Wiederaufnahme des Falls zu beantragen, jedoch erfolglos.
King’s Familie wollte Klarheit darüber, was genau am 4. April 1968 passiert war, und fing über die Jahre an, selbst Nachforschungen anzustellen. Die Familie zweifelte mit der Zeit daran, dass Ray Schuld am Tod von Martin Luther King Jr. sei. Auch ihre Bemühungen, den Fall neu aufzurollen, waren jedoch vergebens. Ein Sprecher des FBI gab an, dass eine Sichtung der Beweise durch die Regierung bereits viermal stattgefunden habe und gab folgendes Statement dazu ab: „Findings from these reviews support the FBI’s conclusion that James Earl Ray, acting alone, fired a rifle once, fatally wounding Dr. King on April 4, 1968, at the Lorraine Motel.“
Ray gab später an, dass er sich zum Zeitpunkt der Ermordung King’s bei einer naheliegenden Tankstelle aufhielt. Ein gewisser Raul hätte ihn dazu beauftragt, eine Waffe zu kaufen und an ihn weiterzugeben. Pepper William, ein Anwalt und Bürgerrechtler, der unter anderem mit King zusammenarbeitete, glaubte wie die Familie von King, dass Ray nur der Sündenbock für die Tat war. Ray hatte eine kriminelle Vergangenheit, saß bereits im Gefängnis, aus dem er 1967 floh und war somit der perfekte Mann, dem ein Attentat angehängt werden konnte. Pepper versuchte Raul ausfindig zu machen und war sogar erfolgreich. Dieser hatte für den 4. April 1968 jedoch ein wasserfestes Alibi. Auf der Waffe befanden sich außerdem lediglich die Fingerabdrücke von Ray. Eine Mittäterschaft von Raul konnte somit nicht bestätigt werden.
VERSCHWÖRUNGSTHEORIEN
Pepper William war der Meinung, dass der damalige FBI-Chef J. Edgar Hoover verantwortlich für den Tod von Martin Luther King Jr. sei. Die Theorie, dass dieser etwas mit dem Attentat zu tun habe, gründete einerseits auf den Informationen, dass er King bereits seit 1963 überwachen und abhören ließ. Ein weiteres Indiz dafür war ein Hassbrief von 1964, den Hoover’s Stellvertreter an King schrieb: „You are done. (...) There is but one way out. You better take it before your filthy, abnormal, fraudulent self is bared to the nation.” King verdächtigte bereits damals den FBI-Chef Hoover hinter der Hasstirade.
Hoover war für seine erzkonservative Einstellung und seinen Hass auf Schwarze bekannt. Pepper war davon überzeugt, dass Hoover Geld an Untergrundgruppen zahlte, die wiederum einen Polizeibeamten als Scharfschützen anheuerten, der – anstelle vonRay – den tödlichen Schuss auf King abfeuerte.
EIN ENDE OHNE KLARHEIT
James Earl Ray starb am 23. April 1998 mit 70 Jahren im Gefängnis. Wer und welche Motive wirklich hinter dem Tod von Martin Luther King stecken, wird wohl für seine Angehörigen und die Anhänger des Bürgerrechtlers für immer ungeklärt bleiben.
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